Als junges Mädchen träumte ich von einer heilen Welt,
in der die Menschen in Frieden und Harmonie miteinander leben,
wo es genügend gesundes Essen und helle Zimmer für alle gibt
und Arbeit je nach Talent verteilt wird an alle, die arbeiten wollen.
Ich träumte von glücklichen Tieren, ausgleichender Gerechtigkeit, Ländern ohne Grenzen und Gefängnisse, weil es sie einfach nicht braucht…
In meiner Jugend wurde ich politisch aktiv, um für meine Ideale einzustehen. Mein Glauben an unser Potenzial als Menschheit trieb mich an, unbequem zu werden, mich nicht zufrieden zu geben, mit faulen Kompromissen, sondern radikal zu fordern, dass wir es anders, besser machen auf dieser Erde.
Noch immer bin ich fest davon überzeugt, dass eine andere Gesellschaftsgestaltung möglich wäre – wir wüssten es doch besser! Und warum setzen wir nicht um, was wir tief in unseren Herzen tragen wie Samen des Friedens und der Liebe, die dazu bestimmt sind, zu erblühen?
Die Frage warum dauerhafter Frieden für alle nicht möglich sein sollte, quälte mich lange Zeit.
Auf meinem Weg ist mir irgendwann klar geworden, dass die Erde der falsche Planet ist für flauschige, rosa Mädchenträume. Mir dämmerte allmählich, dass die Hoffnungen meiner Kindheit wohl unter der Beschaffenheit dieser Welt begraben liegen: im Dualismus, dem Prinzip der Gegensätze.
Es gibt von allem das Gegenteil – Tag und Nacht, Licht und Schatten, Freude und Leid, Gesundheit und Krankheit, Frieden und eben auch Krieg…
Viele spirituelle Traditionen beziehen sich auf das Konzept des Non-Dualismus, in dem alle trennenden Gegensätze nur Illusionen sind und damit aufgehoben werden. Die „Absolute Wahrheit“ liegt demnach jenseits von Trennung in der vollkommenen Einheit.
Auf einer intellektuell-philosophischen Ebene kann ich durchaus mit diesem Gedanken spielen. In meinem Körper, der an diese Welt gebunden ist, fühlt sich die Realität jedoch anders an. Als bewusster Mensch kann ich mich auf einem Meditationskissen mit viel Geduld und Disziplin der Absoluten Wahrheit annähern – im besten Fall. Nach der Meditation wird das Absolute jedoch bald relativ und die Wahrheit austauschbar, egal ob es jetzt um Politik, Pandemiemanagement oder Ernährungsfragen geht. Viele Konflikte und Kriege entstehen genau aus diesem Grund: weil Menschen ihre Wahrheit für absolut nehmen und das Relative damit ausschliessen.
Wie auch immer: es geht mir nicht darum, Weltanschauungskonzepte gegenüber zu stellen und zu richten. Es geht mir um die Balance, um das Integrieren von scheinbaren Gegensätzen.
Wie fühlt es sich an, wenn wir nicht zwischen Extremen entscheiden müssten um uns sicher zu fühlen, sondern wenn wir das Paradoxe aushalten könnten? Würde uns totale Akzeptanz letztendlich transzendieren?
Ehrlich gesagt: in Zeiten wie diesen finde ich es ziemlich herausfordernd mit manchen Extremen umzugehen und in der Mitte zwischen zwei Polen Platz zu nehmen, wo beides sein darf.
Am 20./21.3. ist Frühlingsäquinoktium. Dann sind Tag und Nacht genau gleich lang. Licht und Dunkelheit in absoluter Balance, bevor das Sommerhalbjahr beginnt und die Tage länger werden als die Nächte.
Die Zeitqualität dieser Tage erlebe ich wie eine süsse Medizin für uns Menschen in der dualen Welt. Denn sie schenkt uns ein Gefühl dafür, wie sich ein Gleichgewicht anfühlt, welches nicht ausschliesst, sondern integriert. Wenn Licht und Schatten ausbalanciert sind und die Goldene Mitte hindurch schimmern kann.
Pratiloma
Mit dieser Atem-Übung kannst du den Mittelpfad in deinem Körper stärken:
Atme bewusst durch beide Nasendurchgänge ein und aus.
Verschliesse den rechten und atme links ein und aus.
Atme durch beide Nasendurchgänge ein und aus.
Verschliesse den linken und atme rechts ein und aus.
Atme durch beide Nasendurchgänge ein und aus.
Fahre so fort. Beende mit dem Ausatmen durch beide Nasendurchgänge.
Gönne dir einen Moment in Stille zum Nachspüren.
Das was du jetzt vielleicht wahrnehmen kannst, ist die Goldene Mitte.
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